Paulo Otavio: „Die Leute in Ingolstadt sind offen und herzlich!“

Paulo Otavio: „Die Leute in Ingolstadt sind offen und herzlich!“

01. November, 2017 12.30 Uhr

Wer Paulo Otavio begegnet, wird immer mit einem herzlichen Lächeln begrüßt. Der 22-jährige Brasilianer strotzt vor Lebensfreude und strahlt auch fernab seiner südamerikanischen Heimat viel positive Energie und Wärme aus. Nach einem Jahr bei LASK Linz ist der linke Flügelflitzer in diesem Sommer zur Schanzer Familie gestoßen. Beim Blick hinter die Schanz spricht Otavio über die Unterschiede zwischen Brasilien, Österreich und Deutschland sowie die „Integrationshilfe“ von Teamkamerad Darío Lezcano.

fci.de: Hallo Paulo! Du bist mittlerweile seit drei Monaten beim FCI, wie gefällt es dir in der Donaustadt?

Paulo Otavio: Es gefällt mir gut und ich fühle mich sehr wohl. Ingolstadt ist eher klein, aber sehr schön, ähnlich wie meine Heimatstadt Ourinhos in Brasilien. <

fci.de:  Was hast du bisher von Ingolstadt und Oberbayern sehen können?

Otavio: Bisher noch nicht wirklich viel, ich war lediglich einige Male in München. In Ingolstadt bin ich erst einmal entspannt durch die Stadt geschlendert und an der Donau entlang spaziert. Ansonsten war ich in der Innenstadt bisher nur, um die bürokratischen Dinge, wie das Visum, zu klären und ein paar Mal war ich mit Freunden und ein paar Jungs aus der Mannschaft essen – spanisch, italienisch und auch südamerikanisches Steak.

fci.de: Gibt es bereits Lieblingsplätze oder Cafés/Restaurants, in denen man dich regelmäßig antreffen kann?

Otavio: Dadurch, dass ich noch nicht so viel gesehen habe, gibt es bei mir noch keinen Favoriten. Es war immer nett in der Stadt, aber ehrlich gesagt bin ich am liebsten zuhause, da fühle ich mich wohl und habe alles, was ich brauche.

fci.de: Auch Linz liegt ja an der Donau, daher ist dir sicher nicht alles fremd. Wie sehr erleichtert dir das Jahr in Österreich die Integration in Ingolstadt?

Otavio: Das war eine erhebliche Erleichterung! Die Art und die alltäglichen Gewohnheiten der Leute sind sehr ähnlich, daher fällt mir die Eingewöhnung jetzt viel leichter, als vor einem Jahr, als ich von Brasilien nach Österreich kam. Darüber hinaus spreche ich mittlerweile besser Deutsch, dadurch kann ich auch die Kultur besser verstehen. Als ich zum ersten Mal in Linz war, konnte ich kein Deutsch und kaum Englisch, das war schon eine harte Zeit.


Unser brasilianischer Linksverteidiger auf Shoppingtour im Schanzer Fanshop.

fci.de: Und unterscheidet sich in deinen Augen die oberbayerische und die österreichische Mentalität?

Otavio: Ehrlich gesagt finde ich, dass die die Leute hier in Ingolstadt offener und herzlicher sind, als ich es Linz erlebt habe. Dort hatte man ohne Deutschkenntnisse kaum Chancen auf sozialen Kontakt. Das fällt mir hier deutlich leichter, die Leute sind alle sehr nett, aber natürlich spreche ich mittlerweile auch besser Deutsch. 

fci.de: Bist du alleine nach Ingolstadt gezogen oder hast du Bekannte bzw. Verwandte mitgebracht?

Otavio: Ein guter Freund, Guillerme, ist aus Sao Paolo mit mir nach Deutschland gekommen. Ich habe ihn über seine Anstellung bei der Agentur meiner Berater kennengelernt. Im Rahmen meines Wechsels nach Österreich hat er mir viel geholfen und ich habe ihn immer besser kennen gelernt. Guillerme ist mittlerweile wie ein Bruder für mich, kam mit mir nach Ingolstadt und hält mir stets den Rücken frei, dass ich mich voll auf den Fußball konzentrieren kann.

fci.de: Gibt es Unterschiede zwischen der österreichischen und deutschen 2. Liga?

Otavio: Das Niveau ist hier deutlich höher! Ich denke, dass die österreichische Bundesliga mit der deutschen 2. Liga vergleichbar ist. Allgemein wird in Deutschland mehr Fußball gespielt, in Österreich war das Spiel eher kampf-, lauf- und körperbetont. Insgesamt gibt es wenige große Klubs in Österreich, das ist in Deutschland ganz anders. Ich muss sagen, dass ich mich auch in Linz sehr wohl gefühlt habe, die Mitarbeiter im Verein haben sich super gekümmert und waren sehr hilfsbereit. 


Paulo Otavio bei der Deutschstunde mit Teamkollege Ryoma Watanabe.

fci.de: Du hast beim FCI bisher auf der linken Außenbahn sowohl offensiv als auch defensiv gespielt, wo fühlst du dich am wohlsten?

Otavio: Wichtiger als die Position ist für mich die Art, wie wir Fußball spielen. Für mich als Brasilianer ist es entscheidend, dass wir versuchen Fußball zu spielen, offensiv agieren und die dominante Mannschaft sind. Grundsätzlich fühle ich mich aber in der Viererkette sehr wohl, da ich das Spiel vor mir und mehr Optionen mit dem Ball am Fuß habe.

fci.de: Wie würdest dich als Spielertyp beschreiben, wo liegen deine Stärken und in welchen Bereichen kannst du dich noch verbessern?

Otavio: Es ist immer schwer über seine eigenen Stärken zu sprechen. Ich bin sicherlich sehr schnell, aber ansonsten konzentriere ich mich lieber darauf, wo ich mich noch verbessern kann. Vor allem im Defensivbereich habe ich noch Schwächen, da muss ich lernen noch besser zu verteidigen und im taktischen Verbund in der Viererkette kompakter zu agieren.

fci.de: Du hast sowohl Spiele von Beginn an gemacht, warst aber auch schon Joker. Wie schätzt du den Konkurrenzkampf bei den Schanzern ein?

Otavio: Wir haben in allen Mannschaftsteilen unglaublich viel Qualität. Auf meiner Position zum Beispiel spielt aktuell mit „Gausi“ ein sehr erfahrener Mann, der sowohl defensiv als auch offensiv stark ist: Eine richtige deutsche Maschine (lacht). Das sehe ich aber absolut positiv, da ich von ihm jeden Tag sehr viel lernen kann und der Konkurrenzkampf uns beide weiterbringt. Darüber hinaus verstehen wir uns sehr gut!  


Auf Entdecktungstour durch Ingolstadt: Paulo Otavio.

fci.de.: Mit Darío Lezcano ist ein weiterer „Latino“ Teil der Schanzer Familie. Wie versteht ihr beide euch, was sind die Gemeinsamkeiten, wo liegen die Unterschiede?

Otavio: Vom ersten Tag an haben wir super harmoniert. Wir haben gemeinsam, dass die Familie über allem steht und das Zentrum im Leben einnimmt. Es ist toll zu sehen, wie sich Darío, um seine Kinder kümmert und viel Zeit mit seiner Familie verbringt. Auch für mich sind meine Mama und meine Schwester die wichtigsten Personen im Leben, das verbindet uns. Wenn uns was unterscheidet, dann vielleicht, dass Darío ein bisschen entspannter ist und nicht so impulsiv wie ich.  

fci.de: Kann dir Darío bei der Integration helfen, profitierst du von seinen Erfahrungen, als er im Januar 2016 nach Ingolstadt kam?Welche Tipps hat er für dich?

Otavio: Er hat mir am Anfang wirklich bei allem geholfen. Ich habe viele Sachen nicht verstanden und er hatte einfach immer ein offenes Ohr für mich. Darío hat viele Sachen mit unserem Teammanager für mich erledigt, übersetzt, wenn ich etwas nicht verstanden habe oder auch auf dem Trainingsplatz mir die Übungen erklärt. Selbst wenn ich sie eigentlich schon längst verstanden hatte (lacht). 

fci.de: Wie verbringt ihr eure Freizeit?

Otavio: Wir gehen oft Kartfahren, auch wenn ich gegen Darío leider immer verliere. Er kennt keine Angst und ist einfach immer der Schnellste! Dafür hat er auf der PlayStation keine Chance gegen mich. Oft gehen wir gemeinsam essen, ab und zu kochen wir aber auch selbst.

fci.de:  Wie unterhaltet ihr beide euch, auf Portugiesisch oder Spanisch?

Otavio: Portuñol, eine Mischung aus Spanisch und Portugiesisch. Ab und zu versuchen wir es auch auf Deutsch, aber das klappt leider nur selten bisher.

fci.de:  Es wird langsam Herbst und die Temperaturen sinken. Fürchtest du dich als sonnenverwöhnter Brasilianer vor dem mitteleuropäischen Winter?

Otavio: Vor meinem ersten Winter in Europa vor einem Jahr hatte ich wirklich Angst. Ich habe die übelsten Geschichten gehört, aber am Ende war es halb so wild. Allgemein brauche ich auch nicht die ganz warmen Temperaturen, aber natürlich freut man sich dann nach Weihnachten auf den Heimaturlaub in Brasilien.

fci.de: Apropos Brasilien, du kommst aus Ourinhos im Bundesstaat Sao Paulo. Wie würdest du deine Heimat in 5 Sätzen beschreiben?

Otavio: Ourinhos bedeutet übersetzt „kleines Gold“. Es gab früher glaube ich eine Goldmine, aber das ist sehr lange her. Ansonsten ist meine Heimatstadt eher klein, aber sehr schön. Es gibt sehr viele Dinge zu machen, entscheidend ist aber eigentlich, dass die Freunde und Familie dort sind. Da brauche ich nichts Anderes, das ist einfach das Schönste mit seinen Liebsten zusammen zu sein. 

fci.de:  Was vermisst du am meisten aus der Heimat?

Otavio: Ganz klar: Meine Familie! Was das Kulinarische angeht, vermisse ich am meisten Feijão, ein brasilianisches Bohnengericht. Das ist mein absolutes Lieblingsessen, vor allem wenn es meine Oma kocht. Da geht einfach nichts drüber! 

fci.de: Wie versuchst du das Heimweh zu minimieren und wo kannst du in Bayern oder Österreich ein Stück Brasilien erleben?

Otavio: Es gibt einige brasilianische Restaurants, aber da ist die Qualität sehr unterschiedlich. In Salzburg zum Beispiel habe ich zufällig einen Brasilianer gefunden, da bin ich ins Restaurant gekommen und habe mich sofort wie in meiner Heimat gefühlt. Das war großartig!